Der poetische Titel der Leipziger Künstlerin vereint scheinbare Gegensätze: Erde steht für Substanz und Beständigkeit, Flügel für Träume und Aufbruch. Diese „Flügel aus Erde" verkörpern eine Haltung des „ich bin während ich werde" – fest verwurzelt und dennoch bereit zur Transformation.
Malwine Stauss' Keramiken sind farbenfrohe Gefährt-innen aus aktuellen Debatten. Werke wie „Frucht" zeigen diese Mehrdeutigkeit exemplarisch: Ein grünes Gesicht blickt aus einem gewundenen Körper hervor, der wie eine Mischung aus Bronzerüstung und Hoodie aus Dornenranken wirkt. Der rote Blütenkelch als Krone strebt nach oben, während der massive Fuß am Boden verankert. „Nordlicht" präsentiert eine andere Facette – die marmorierte Figur im bunten Overall trägt funktionale Insektenflügel wie angewachsene Werkzeuge, ihre großen Hände ruhen gestaltungsbereit auf den Beinen.
Diese Arbeiten bewegen sich im Kontext des von Wolfgang Ullrich beschriebenen „Empowerments" – Kunst, die stärkt statt verstört. Zugleich verkörpern sie Ursula K. Le Guins Idee einer umfassenden Verwandtschaft aller Wesen. Ihre freundlich-empowernden Qualitäten entstehen ohne sexualisierte Weiblichkeitsbilder und setzen dem Imperativ der Selbstoptimierung eine Vision von Kollektivität und spiritueller Verbundenheit entgegen.
Stauss' Keramiken zeigen: Es geht auch anders. Sie laden ein zu einem Verständnis von Stärke, das weder heroische Einzelkämpfer feiert noch in romantischer Naturverklärung versinkt, sondern ganz praktisch und dabei schillernd schön alternative Zukünfte entwirft.